Fallbericht aus Deutschland: Einfluss einer missed abortion eines Feten auf das Ergebnis eines nicht invasiven pränatalen Tests (NIPT) bei einer Mehrlingsschwangerschaft
Bei Mehrlingsschwangerschaften stoßen nicht invasive Untersuchungsmethoden zur Einschätzung des Risikos für das Vorliegen einer Trisomie 13, 18 oder 21 an gewisse Grenzen, während invasive Untersuchungsmethoden ein Risiko für eingriffsbedingte Fehlgeburten bergen. Daher kann bei einer Zwillingsschwangerschaft die nicht invasive pränatale Testung (NIPT) auf Basis der Hochdurchsatzsequenzierung eine zuverlässige Alternative im Rahmen der vorgeburtlichen Diagnostik sein. Das Ergebnis des NIPT kann durch eine missed abortion eines Feten beeinflusst werden, wie wir dies im folgenden Fallbericht beschrieben. Sie möchten den Fallbericht mit allen Abbildungen herunterladen, dann klicken Sie hier.
Fallbericht
SSW 12+6 | Missed abortion eines Feten
Eine 42-jährige Patientin mit dichorialer Geminigravidität nach ICSI wurde zur weiterführenden Diagnostik im ersten Trimenon überwiesen. Der bisherige Schwangerschaftsverlauf war unauffällig. Während der Untersuchung wurde der missed abortion eines Feten festgestellt. (CRL 42,9 mm). Der andere Fet (CRL 67,7 mm, NT 1,7 mm, Nasenbein darstellbar) zeigte keine Auffälligkeiten. In Bezug auf die Chorionverhältnisse zeigte sich eine dichoriale Plazentation.Nach ausführlicher Beratung wünschte die Patientin zunächst keine invasive Diagnostik (CVS), sondern wollte den weiteren Verlauf abwarten. Ein neuer Termin in vier Wochen wurde vereinbart.
SSW 17+0 | Positives PraenaTest®-Ergebnis für Trisomie 21
Auch in SSW17+0 zeigte der vitale Fet keine Hinweise für eineTrisomie 21. Der verstorbene Fet und die Chorionhöhle waren noch nachweisbar. Nach entsprechender Beratung lehnte die Patientin eine invasive Diagnostik weiterhin ab. Statt dessen entschied sie sich für den PraenaTest® und akzeptierte, dass das Testergebnis möglicherweise nicht aussagekräftig sein würde. Es wurde vereinbart, die PraenaTest®-Analyse als Forschungsprojekt durchzuführen. Das Testergebnis der erstenBlutprobe war positiv für die fetale Trisomie 21 mit einem z-score von 3,1. Gemessen mit QuantYfeX® (QFX) betrug der Anteil der cffDNA 16,27%. Da sGeschlecht beider Feten war weiblich, da keine Y-chromosomalen Sequenzen (mittels next generation sequencing) nachgewiesen wurden. Auf Basis der Korrelation zwischen z-score und dem Anteil der cffDNA wurde gefolgert, dass bei einem der Feten eine Trisomie 21 vorliegen muss. Die Patientin wünschte trotz des auffälligen Ergebnisses keine Amniozentese und entschied sich, die zweite PraenaTest®-Analyse abzuwarten.
SSW 19+2 | Zweites positives PraenaTest®-Ergebnis für Trisomie 21
Eine zweite Blutprobe wurde zirka zweieinhalb Wochen späterentnommen und analysiert. Das Testergebnis war positiv für die fetale Trisomie 21 mit einem z-score von 11,6 und einem Anteil an cffDNA von 16,92% (QFX). Wie zuvor gab es auch diesmal keine Y-chromosomale Repräsentation. Nach nochmaliger Beratung entschied sich die Patientin auch nach diesem Ergebnis gegen eine Amniozentese.
SSW 21+6 | Vitaler Fet ohne Hinweis auf eine Trisomie 21
Der vitale Fet entwickelte sich weiterhin zeitgerecht ohne Hinweise für eine Trisomie 21. Der verstorbene Fetsowie die Chorionhöhle waren noch nachweisbar. Nach einer weiteren Beratung lehnte die Patientin erneut eine Amniozentese ab, da sie keine Konsequenz daraus gezogen und sie einen Abbruch nur bei einer schweren strukturellen Fehlbildung erwogen hätte.
SSW 22+1 | NegativesPraenaTest®-Ergebnis für Trisomie 21
Eine dritte Blutprobe wurde in der SSW 22+1 entnommen und analysiert. Diesmal war das Testergebnis für die fetale Trisomie 21 negativ mit einem z-score von 1,6 und einem Anteil an cffDNA von 20,44% (QFX). Wiederum wurdenkeine Y-chromo-somalenSequenzengemessen, wasdie Schwanger-schaft mit einem weiblichen Fetenerneut bestätigte.
SSW 26+5 | Verstorbener Fet noch darstellbar
Auch in der SSW 26+5 zeigte der vitale Fet eine zeit-gerechte Entwicklung ohne Hinweise für eine Trisomie 21. Die verbleibenden Strukturen des verstorbenen Fetenwaren weiterhin darstellbar, die Chorionhöhleinzwischen vollständig resorbiert.
SSW 31+3 | Verstorbener Fet nicht mehr darstellbar
Letzte Vorstellung in SSW 31+3. Der vitale Fet war weiterhin zeitgerecht entwickelt und ohne Hinweise für eine Trisomie 21. Der verstorbene Fet war nicht mehr nachweisbar.
SSW 36+2 | Gesundes weibliches Kind
Geburt eines gesunden weiblichen Kindes in SSW 36+2 (per Forceps, 2700g, 48 cm).

Tabelle 1 : Ergebnisse des PraenaTest® in Korrelation zum Resorptionsprozess
Ergebnis
Dieser Fall veranschaulicht detailliert den Resorptionsprozess der plazentaren Anlage eines verstorbenen Feten sowie dessen Einfluss auf die NIPT-Ergebnisse während einer Zeitspanne von etwa fünf Gestationswochen. In der SSW17+0 hatte die Resorption gerade begonnen, wie man deutlich aus dem relativ hohen Anteil an cffDNA im Vergleich zum Borderline z-score von 3,1 für die fetale Trisomie 21 ersehen kann. Obwohl sich zwei Wochen später der Anteil der cffDNA nicht wesentlich verändert hatte, war der z-score mit 11,6 jetzt deutlich gestiegen und eindeutig positiv für die fetale Trisomie 21. Dies lässt vermuten, dass der Resorptionsprozess zu diesem Zeitpunkt seinen Höhepunkt erreicht hatte und verstärkt cffDNA aus der Plazenta des verstorbenen Feten in den mütterlichen Blutkreislauf gelangte. Drei Wochen später zeigte eine neue Probe aus der dritten Blutentnahme einen erhöhten Anteil an cffDNA mit einem negativen z-score für die fetale Trisomie 21 (siehe Tabelle 1). Nach unserem Kenntnisstand ist dies das erste Mal, dass ein solcher Resorptionsprozess unter Anwendung von NIPT verfolgt werden konnte. Weitere Studien sind notwendig, um die Dynamik solcher Resorptionsprozesse und deren Einfluss auf NIPT-Ergebnisse genauer zu verstehen.
Schlussfolgerung
Dieser Fallbericht zeigt, dass eine missed abortion eines Feten in einer Mehrlingsschwangerschaft ein limitierender Faktor für die Anwendung eines NIPT ist, da dessen Plazentaeinen erheblichen Anteil an cffDNA zur Gesamtmenge an cffDNA beitragen und so ein positives NIPT-Ergebnis verursachen kann, welches für den verbleibenden vitalen Fetennicht repräsentativ ist. Ein vergleichbarer Fall wurde bereits bei Grömminger et al 2014 diskutiert 1). Dies unterstreicht, dass solche Schwangerschaften im Rahmen der Schwangerenvorsorge engmaschig kontrolliert werden müssen, um NIPT-Ergebnisse korrekt interpretieren zu können. Nach unserem Kenntnisstand gibt es bisher keine Studien, die darlegen, in welchem Ausmaß die Größe eines verstorbenen Zwilllings oder der Zeitpunkt seines Versterbens mit dem Anteil an cffDNA im mütterlichen Plasma korrelieren, da in diesen Fällen, sofern die Eltern daraus eine Konsequenz ziehen, eher eine invasive Diagnostik angewendet wird (die in diesem beschriebenen Fall jedoch von der Patientin abgelehnt wurde).
Empfehlung
Wir empfehlen den verantwortlichen Ärzten, diese speziellen Fälle mit uns im Vorfeld zu besprechen. Es erscheint ratsam, den PraenaTest® nicht durchzuführen, solange der verstorbene Zwilling und/oder die Chorionhöhle mittels Ultraschall noch darstellbar sind, dabei einem positiven Ergebnis keine Aussage darüber getroffen werden kann, welcher der Feten von einer ggf. festgestellten fetalen Trisomie betroffen sein könnte. Andererseits bedeutet ein negatives Testergebnis, dass der vitale Fet mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht betroffen ist, solange der gemessene Anteil an cffDNA mindestens 8% beträgt. Dies entspricht der Mindestmenge, die für eine erfolgreiche PraenaTest®-Analyse bei einer Zwillingsschwangerschaft erforderlich ist. Da jedoch insbesondere in der Frühschwangerschaft das Versterben eines Zwillings unerkannt bleiben kann (vanishing twin Phänomen), können dadurch bedingte diskordante NIPT-Ergebnisse generell niemals ausgeschlossen werden, insbesondere wenn ein NIPT frühzeitig (z.B. in SSW 10 und 11) durchgeführt wird. Die Existenz solcher Fälle untermauert daher die Empfehlung der medizinischen Fachgesellschaften, NIPT erst nach oder in Verbindung mit einer qualifizierten Ultraschalluntersuchung, vorzugsweise in SSW 12-14, durchzuführen.
Danksagung
Wir danken Dr. med. Hanno Plath (Praxis für Pränatalmedizin und Genetik, Meckenheim, Deutschland), welcher mit seiner Expertise wesentlich zum Erfolg dieses Forschungsprojekts beitrug. Wir sind auch seiner Patientin sehr dankbar. Sie hat zu dieser Arbeit beigetragen, indem sie ihre Einwilligung zu diesem Projekt gab.
1) S. Groemminger et al2014. Fetal Aneuploidy Detection by Cell-Free DNA Sequencing for Multiple Pregnancies and Quality Issueswith Vanishing Twins. J. Clin. Med. 2014, 3, 679-692; doi:10.3390/jcm3030679
2) Empfehlungen der medizinischen Fachgesellschaften